Mittwoch, 28. August 2013

Sommerende

Jedem Sommerende wohnt eine Wehmut inne. Klar, dass man dabei an den Vers eines berühmten Gedichtes denkt: „Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne.“ Interessanterweise wird dieser Vers oft dem guten alten Goethe unterstellt. Tatsächlich stammt er aber von Hermann Hesse. Und er fährt fort: „Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.“

Am Ende aber ist die Wehmut. Jedenfalls am Ende des Sommers. Die Menschen bewegen sich nicht mehr so unbefangen entlang der Donau. Sie scheinen den Sommer eher festhalten zu wollen als ihn freien Sinnes genießen zu können. Ganz egal, ob sie sich trauen nochmal ins Wasser zu springen oder in einem Boot den nun kühleren Fahrtwind spüren. Andere sitzen mit warmer Jacke und hochgezogenen Schultern an einer Strandbar am Donaukanal, wärmen mit den Handflächen einen kühlen Cocktail und halten ihn so fest – den Sommer.

Es war der Sommer, der mir das erste Mal ein Gefühl von Unendlichkeit gab. Damals, als ich mit dem roten Puch-Rennrad meines Vaters am ersten Tag der Sommerferien nach Judenburg fuhr, spürte ich ohne einen Gedanken: dieser Sommer wird nie ein Ende nehmen. Er nahm ein Ende. Natürlich. Aber in gewisser Weise gibt es diesen Sommer von damals bis heute.

Dienstag, 27. August 2013

Kanzlerduell?

Kanzlerduell. Heiße Phase des Wahlkampfs. Kanzlerduell. Und so weiter und so fort. Journalisten plappern es vor. Leser, Hörer, Seher und wieder andere Journalisten plappern es nach. Auch renommierte. Es sei daran erinnert, dass wir Ende September das Parlament wählen. Der Bundeskanzler wird vom Bundespräsidenten ernannt. Und die Minister (lateinisch für Diener, Gehilfe, Assistent) werden auf Vorschlag des Bundeskanzlers ebenso vom Bundespräsidenten angelobt. So weit so gut, so bekannt und offenbar auch unbekannt. Oder jedenfalls sind die meisten daran nicht interessiert – der einfachen Überlegung folgend: Naja egal, es werden halt die gewählt, die dann fünf Jahre das Sagen haben. Parlament? Regierung? Egal.

Ist das wirklich egal? Ich denke nicht. Denn damit setzen wir unsere parlamentarische Demokratie aufs Spiel. Und das tun wir de facto auch. Denn in der Realität macht nur die Opposition Parlamentsarbeit. Die Abgeordneten der Regierungsparteien sind mehr oder weniger reine Vollzugbeamte von Regierungsvorgaben. Und sie werden von der Regierung auch so gesehen und behandelt.

Statt in unqualifiziert populistischer Weise mehr direkte Demokratie zu fordern, sollten wir die verfassungsmäßig verankerte repräsentative Demokratie auch wirklich leben. Und das bedeutet: die gewählten Abgeordneten haben die Bürger dieses Landes im Parlament zu repräsentieren. Zugleich vertreten sie ihre politische Ideen und Vorhaben in den Wahlkreisen, erklären dieses den Bürgern und diskutieren sie. In diesen Spannungsfeldern entsteht wirkliche Demokratie und Mitbestimmung.

Mittwoch, 21. August 2013

Offener Brief: Warum kandidieren Sie für den Nationalrat, Herr Bundeskanzler?

Sehr geehrter Herr Faymann, sehr geehrter Herr Spindelegger!
 
Den Medien entnehme ich, dass Sie Bundeskanzler werden wollen. Warum kandidieren Sie dann aber für den Nationalrat? Als Bundeskanzler werden Sie Mitglied der Bundesregierung sein und nicht Mitglied des Nationalrates. Das sind zwei durch die Gewaltentrennung in unserer Verfassung verschiedene und bewusst getrennte Institutionen.
 
Ich weiß, dass Sie das wissen. Und ich weiß auch um die sogenannte österreichische „Realverfassung“, d.h. um den nachlässigen und beugenden Umgang mit der Verfassung, der die Gewaltentrennung bis zur Unkenntlichkeit vernebelt und bis zur Respektlosigkeit verkommen lässt. Ich halte diesen Umgang für schädlich. Letztlich ist er mitverantwortlich dafür, dass wir keine wirklich entwickelte und lebendige Demokratie haben. Zugleich resultiert daraus die oft beklagte Politikverdrossenheit, die Sie aber nicht wundern darf. Denn Sie und ihre Partei gestalten diese mit, da die Abgeordneten der Regierungsparteien bloß als verlängerte, legislativ ab nickende Werkbank der Partei- und Regierungsmeinung agieren.
 
Stattdessen sollten Abgeordnete in Ihren Wahlkreisen präsent sein, mit Bürgern diskutieren, sich eine kritische Meinung bilden und diese in die parlamentarische Auseinandersetzung einbringen, wodurch beide – Politiker wie Bürger – stärker in die Pflicht genommen werden würden. Das wäre lebendige Demokratie.
 
Die Realität ist aber eine andere: Abgeordnete heben bloß auf Parteikommando ihre Hand. Alle fünf Jahre wird dann mit steriler Aufgeregtheit ein Wahlkampf inszeniert, bevor jene Damen und Herren – eingetragen in Parteilisten und angekreuzt vom Volk – wieder in den Nationalrat einziehen dürfen, wo sie weitere fünf Jahre auf Kommando ihre Hand heben. Sie überlassen damit die kritische Auseinandersetzung mit der Regierungsarbeit allein der Opposition. So seltsam das für Sie klingen mag: Ich halte das für einen Fehler. Denn sie verlieren dadurch an politischer Substanz.
 
Die zuletzt unter dem Titel „Demokratiepaket“ halbherzig geführten Diskussionen über eine Stärkung der direkten Demokratie sind solange zweitrangig, solange wir unsere repräsentative, parlamentarische Demokratie gar nicht wirklich leben. Dazu bräuchten Sie aber nur den Clubzwang aufheben und ihre Abgeordneten ermuntern, sich mit den Bürgern ihres Wahlkreises ernsthaft auseinanderzusetzen, selbst und kritisch zu denken sowie ihre Meinung im Parlament energisch zu vertreten.
 
Sie haben das ganz in ihrer Hand. Sie brauchen dafür keinen Koalitionspartner. Und es kostet nichts. Sie brauchen es nur tun. Sie brauchen dafür kein Gesetz ändern. Sie müssen nur die bestehenden Gesetze einhalten und dem Geist der Verfassung folgen.

Mit freundlichen Grüßen
Andreas Rinofner 

Dienstag, 20. August 2013

Notizen zu Armin Thurnhers „Republik ohne Würde“

„Republik ohne Würde“ – Armin Thurnher hat ein gutes Buch geschrieben. Ein wesentliches obendrein. Er bringt dankenswerterweise mit „Würde“ einen entscheidenden Begriff in die politische Diskussion zurück, und zwar ohne moralinsaures Pathos.

Wer sich erwartet, sofort in den wild wuchernden Garten der teils skurrilen, teils ekelerregenden und deprimierenden Possen sowie Kriminalstücke der österreichischen Politik geführt zu werden, wird zunächst enttäuscht sein. Doch keine Sorge. Sie werden kommen, in gewohnt brillanter, pointierter und trennscharfer Sprache. Und sie werden die Ruhe im Garten gehörig stören.

Doch zunächst stellt Armin Thurnher „Nachforschungen“ an. Und damit hebt er den Begriff „Würde“ aus den Tiefen der Geschichte und des Denkens. Er entstaubt ich nicht, wie man so unschön sagt. Das hat der Begriff auch nicht nötig. Er legt ihn frei, macht ihn klarer, macht ihn zum Maßstab und leuchtet damit die Untiefen und Abgründe der gegenwärtigen Politik aus. Die Begriffsklärung mag anfangs etwas mühsam sein. Doch nur durch diese Nachforschungen geht einem – wie man so schön sagt – etwas auf. Man versteht durch dieses Buch die österreichische Realität nicht besser. Aber man sieht deutlicher, wie tief die geistigen und sittlichen Schäden sind, die diese Republik sich in den letzten Jahren (Jahrzehnten?) zugefügt hat.

Versteht man dieses Buch aber bloß als ein Arsenal an Stichen in bzw. gegen die Unappetitlichkeiten der österreichischen Politik, dann entgeht einem die Substanz. Dann bewegt man sich lediglich auf der Ebene eines beliebigen und weitgehend unentscheidbaren Für-und-Wider-Diskurses. Armin Thurnher geht aber weiter, er bohrt tiefer und bezieht das Urteilsvermögen auf die aneinander gebundenen Begriffe Freiheit und Würde. Damit gewinnt jeder, der ihm gedanklich wirklich folgt, einen Maßstab für das jeweils eigene Denken und Handeln.

Natürlich ist es ein Buch über Österreich. Aber nicht ausschließlich. Vielleicht gar nicht in erster Linie. Es ist ein Buch über mich selbst und die Frage: Wie bewahre ich meine Würde in diesem Land, oder in einem anderen? Wer auch immer was auf dem Kerbholz hat, den ersten Schritt der Veränderung kann immer nur ich selbst tun. Das ist tatsächlich eine Zumutung, eine Zumutung der Würde. Ingeborg Bachmann sagte in einer oft erwähnten Rede, von der aber leider immer nur der Titel zitiert wird: „Ich glaube, dass dem Menschen eine Art des Stolzes erlaubt ist – der Stolz dessen, der in der Dunkelheit der Welt nicht aufgibt und nicht aufhört, nach dem Rechten zu sehen.“ Darum geht es hier auch. Nicht nur um Österreich.

Bemerkenswerter Weise wurde und wird das Buch in einer breiteren österreichischen Medienöffentlichkeit kaum registriert. Warum das so ist, ja geradezu sein muss – auch davon handelt dieses Buch, leben wir doch inmitten einer strukturell korrumpierten Medienlandschaft, die der alltäglichen Würdelosigkeit Hochglanz gibt. Supersauber.

Am Ende lernen wir Nina kennen. Nina ist eine mobile Krankenpflegerin im Weinviertel. Armin Thurnher begleitet sie einen Tag lang. Er kommentiert diesen Tag nicht. Er erzählt ihn nur. Am Ende des Tages weiß man, was man vorher vielleicht nur durchscheinen spürte. „Republik ohne Würde“ ist ein Buch über das Leben, über mein Leben.

Wird dadurch Politik weniger wichtig? Nein, wird sie nicht.

Freitag, 16. August 2013

Politik und Liebe

Liebe ist keine Kategorie der Politik, auch Nächstenliebe nicht.
Politik kann und muss respektvoll sein. Ihre Aufgabe ist es, die Rahmenbedingungen des Zusammenlebens so zu gestalten, dass sich Menschen in Freiheit entsprechend ihrer Talente und Ziele entwickeln können.
 
Überall wo freie Menschen einander begegnen, wird es Konflikte geben. Diese zu lösen oder zumindest in Würde – um einen von Armin Thurnher dankenswerter Weise in das Politische wieder eingeführten Begriff zu verwenden – lebbar zu machen, ist vorrangige Aufgabe der Politik.
 
Wer Liebe in die Politik einführt, macht aus ihr einen Kampfbegriff und zeigt damit, dass er von beidem nichts versteht: von den Möglichkeiten der Liebe nicht und ebenso wenig von Politik.
 
Man kann sich nicht vehement genug dagegen verwahren, von einer politischen Partei geliebt zu werden – gleich welcher.

Hausverstand

Ich fürchte nichts mehr als den Hausverstand. Denn bei ihm hängt alles davon ab, wo jemand zu Hause ist.

An sich ist das noch kein Problem. Doch nichts ist so rabiat überzeugt und im Auftreten so tyrannisch wie der Hausverstand. Er terrorisiert Menschen auch außerhalb des eigenen Hauses. Und das ist ein Problem.